Castrum, Wallrechteck, Schachbrett oder auch „Kette und Schuss“ – die Assoziationen zu dem Krefelder Stadtgrundriss sind vielfältig. Sie alle drücken aber eines aus: die Civitas, die bürgerliche Stadt. Es ist die Tradition eines geordneten Stadtraums. Das er- innert an die Amsterdamer Grachten, die ab 1613 angelegt wurden. Hier wurde das neu erschlossene knappe Bauland planmäßig eingeteilt und anschließend versteigert. Die breiten Parzellen an den vornehmen (Wohn-) Grachten sowie die schmäleren Parzellen an den radial hierzu verlaufenden Querstraßen mit Läden und Werkstätten prägen bis heute Maßstab und Gleichmaß der historischen Innenstadt. Auch wenn die Assoziation mit den Niederlanden zunächst gesucht scheint, es sind Baumeister mit niederländischem Einfluss, die in Mannheim, Berlin und Potsdam und letztlich auch in Krefeld den Grundstock für die rationale Stadtplanung legen. So ist der Holländer Menno van Coehoorn an der ersten Wiederaufbauplanung des zerstörten Mannheim nach 1689 beteiligt, dessen Straßen bis heute in Koordinaten der Stadtblöcke und nicht, wie sonst üblich, in Straßennamen angegeben werden. Der Mannheimer wohnt daher an A4, L1 oder N3. Der französische Baumeister Jean de Bodt und der Niederrheiner Johann Arnold Nehring bringen diese rationalen Städtebauprinzipien aus holländischem Dienst mit nach Berlin und Potsdam. Die barocke Erweiterung Berlins durch die Dorotheen- und die Friedrichstadt sowie das Holländische Viertel in Potsdam, alle zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts angelegt, zeugen hiervon. Seitdem das Moerser Grafschafterland mit den ihm zugehörigen Enklaven, zu denen Krefeld gehörte, an König Friedrich I. von Preußen überging, wurden diese Prinzipien auch in den Krefelder Stadterweiterungen bis 1766 angewendet. 

Castrum, Wallrechteck, Schachbrett oder auch „Kette und Schuss“ – die Assoziationen zu dem Krefelder Stadtgrundriss sind vielfältig. Sie alle drücken aber eines aus: die Civitas, die bürgerliche Stadt. Es ist die Tradition eines geordneten Stadtraums. Das erinnert an die Amsterdamer Grachten, die ab 1613 angelegt wurden. Hier wurde das neu erschlossene knappe Bauland planmäßig eingeteilt und anschließend versteigert. Die breiten Parzellen an den vornehmen (Wohn-) Grachten sowie die schmäleren Parzellen an den radial hierzu verlaufenden Querstraßen mit Läden und Werkstätten prägen bis heute Maßstab und Gleichmaß der historischen Innenstadt.

„Die von Grün umgebenen inneren Quadrate der einst von Mennoniten besiedelten, noch heute fast puritanischen Stadt stammen aus der Zeit, als in Berlin die Dorotheen- und Friedrichstadt gebaut wurde. Man hat sie mit Potsdam verglichen. Nicht mit Unrecht, da ja auch Potsdam ein Ausdruck holländischer Planung ist.“16 In Potsdam kann man sich auch heute noch ein Bild hiervon machen. Der Maßstab der meist zweistöckigen Bürgerhäuser der barocken Stadt stimmt weitgehend mit dem Maßstab des barocken Krefeld überein. In der dortigen Charlottenstraße, der längsten, noch geschlossen erhaltenen Barockstraße Norddeutschlands, reihen sich individuelle Bürgerhäuser aneinander und formen ein harmonisches Ganzes. „Landauf, landab findet sich – ausgenommen in Mannheim – nicht wieder so ein klares und geradliniges Stadtbild. Was aber dort ein Landesvater befahl, wuchs hier aus dem Gemeinsinn der Bürger.“17 Ernst Köppen weist 1954 auf den Unterschied zwischen der Bürgerstadt Krefeld und der Residenzstadt Mannheim hin. Es ist aber die darunter liegende, von den Holländern verbreitete (wenn auch nicht erfundene) Stadtbaukunst, die den roten Faden spinnt.

Für das Quartier nördlich des mittelalterlichen Stadtkerns ist dabei die Architektenfamilie Leydel zu erwähnen, die hier im Dienst der Familie von der Leyen tätig war. Von diesem Gebiet der barocken Stadtbebauung und der Architektur der Leydels ist heutzutage außer dem Palais von der Leyen (Rathaus) nur noch das Floh‘sche Haus an der Friedrichstraße sichtbarer Zeuge vergangener Schönheit. Die Anordnung von Weberhäusern, Färbereien sowie des Wohnhauses der Familie von der Leyen in diesem Teil der Stadt sind dabei weit mehr als Architekturentwürfe. Es sind gebaute Sozialstrukturen im Geist einer Stadt, die für ihre Religionsfreiheit bekannt ist. Diesen Stadtraum beschreibt Clara Bettina Schmidt in ihrer Biografie über Michael Leydel wie folgt: „Den geistigen Hintergrund zu dem Entwurf dieser konzeptionell modernen und homogenen Anlagen bildet die Übereinstimmung der sozialen und patriarchalischen Einstellung der Seidenfabrikanten von der Leyen mit der Ideologie ihres Architekten Michael Leydel. Die Uberbrückung territorialer, konfessioneller und sozialer Grenzen (…) findet ihren architektonischen Ausdruck in der räumlichen Gliederung der städtebaulichen Konzeption Krefelds, in der die exponierten Wohnhäuser der Seidenfabrikanten und die der Weber in einer Straßenflucht errichtet sind. Die übergeordnete Stellung des Unternehmers jedoch wird symbolisiert durch die Position seines Wohnhauses als Eckhaus, das sich nicht nur leicht vorgezogen, sondern auch um ein Stockwerk erhöht von der Häuserzeile abhebt.“9

Text: Claudia Schmidt und Jürgen Stoye (Erstveröffentlichung: Die Heimat, Jahrgang 86, 2015)

27. Januar 2019