Der Krefelder Baudezernent Wolfgang Danke schreibt 1967 „Von der Schönheit der Vorkriegs-Stadt konnte außer dem Grundriss kaum etwas gerettet werden. An seiner interessanten äußeren Form wurde nichts geändert und damit blieb diese schöne und eigenwillige Anlage der Nachwelt erhalten. Dieser Umstand sollte für die gegenwärtige, aber auch für spätere Generationen Verpflichtung und ernste Mahnung sein, sich mit ganzer Kraft für den Fortbestand der schönen Wallanlagen einzusetzen.“23 Diese Aussage ist für die sechziger Jahre durchaus besonders, angesichts der Tatsache, dass damals die Auflösung der historischen Stadt noch als allgemeines städtebauliches Ziel galt. Bewusstsein für die historische Stadt und Denkmalschutz sind erst ab der Mitte der siebziger Jahre entstanden. Krefeld erfährt daher auf den ersten Blick keinen so radikalen, autogerechten Stadtumbau wie z. B. Köln. Die Verbreiterung der Marktstraße und der Durchbruch der Grünanlage des Ostwalls sind im Verhältnis zur Neuordnung Kölns bescheidene Eingriffe. Die in den siebziger Jahren angelegten Unterführungen an St.-Anton-, Rheinstraße und Hauptbahnhof, sollen die Verkehrsströme nach den Prinzipien des modernen Städtebaus trennen. Sie verändern das Aussehen des Ostwalls, der Straßenzug selber wird aber nicht angetastet. Aber stimmt es, dass an der „interessanten äußeren Form“ des Stadtgrundrisses nichts geändert worden ist? Letztlich verändert die Neuordnung die Stadt so sehr, dass als „Innenstadt“ heute nur noch das Gebiet südlich der St.-Anton-Straße wahrgenommen wird. Die bis zu ihrer Zerstörung gerühmte Neustadt rund um die Friedrichstraße wird nicht mehr als Teil der eigentlichen Stadt wahrgenommen und schon gar nicht als wohltuende Einheit erfahren. Stadtgrund- riss ist eben nicht gleich auch Stadtraum. 

Der Krefelder Baudezernent Wolfgang Danke schreibt 1967 „Von der Schönheit der Vorkriegs-Stadt konnte außer dem Grundriss kaum etwas gerettet werden. An seiner interessanten äußeren Form wurde nichts geändert und damit blieb diese schöne und eigenwillige Anlage der Nachwelt erhalten. Dieser Umstand sollte für die gegenwärtige, aber auch für spätere Generationen Verpflichtung und ernste Mahnung sein, sich mit ganzer Kraft für den Fortbestand der schönen Wallanlagen einzusetzen.“23 Diese Aussage ist für die sechziger Jahre durchaus besonders, weil damals die Auflösung der historischen Stadt noch als allgemeines städtebauliches Ziel galt. Bewusstsein für die historische Stadt und Denkmalschutz sind erst ab der Mitte der siebziger Jahre entstanden. Krefeld erfährt auf den ersten Blick keinen so radikalen, autogerechten Stadtumbau wie z. B. Köln. Aber stimmt es wirklich, dass an der „interessanten äußeren Form“ des Stadtgrundrisses nichts geändert worden ist?

Die Vier Wälle hören heute für die Krefelder am Nordwall auf, obwohl Vagedes die Stadtanlage 1819 bis an die heutige Nordstraße erweitert hatte. Das Quartier zwischen Nordwall und Nordstraße ist durch die Veränderungen von Strassenführung und Bautypologie ein eigenes Gebiet geworden, das von der restlichen Stadt abgeschnitten ist. Das Polizeipräsidium, als modernistisches Pendant zum Turm des Hauptbahnhofes zu verstehen, schneidet den Ostwall auf der Höhe des Nordwalls ab. Loh- und Färberstraße sind hier aufgehoben, das Baurecht der Industrie- und Handelskammer versperrt die räumliche Verbindung über die so wichtige Lohstrasse zur Innenstadt.

Aber auch das angrenzende Gebiet zwischen St.-Anton- Straße und Nordwall ist in den sechziger und siebziger Jahren stark verändert worden. Die Sparkasse an der Friedrichstraße wurde in den sechziger Jahren nach dem „Reinheitsgebot der Moderne“ entworfen als „Akzent im Stadtgrundriss“. Mit seinem zurückliegenden, geschlossenen Sockelgeschoss, das rundum Abstand zur Straßenflucht hält, suggerierte der Flachbau ein „schwebendes“ Obergeschoss, entzog sich damit aber gleichzeitig dem städtischen Kontext. Jetzt wurde sie durch eine grossmasstaebliche Einzelhandelsimmobilie mit Hochgarage ersetzt, und ganz ohne Ironie ‘Forum’ getauft. Das brutalistische Seidenweberhaus folgte in den 70er Jahren, allerdings wurde die geplante Schliessung der Bauflucht am Ostwall nie ausgeführt. Die klaffende Brache wurde ‘Theaterplatz’ genannt.

„Ohne Blick auf die Bedingungen, unter denen vor einem Jahrhundert die großen Städte in überschaubare Siedlungseinheiten zwischen offenen Landschaftsräumen zum Wunschbild der Planer wurde, sind die Eingriffe heute nicht zu begreifen.“24 Nicht selten wurden die Kriegszerstörungen dabei als „tabula rasa“, als Vorbereitung eines lang gewünschten Stadtumbaus gesehen. Das gilt auch für Krefeld. Der Vagedes-Plan wird zwar nach dem Krieg als erhaltenswürdig eingeschätzt. Aber der aufgelockerte Städtebau der Moderne hat die Struktur der Krefelder Stadtanlage zumindest im Norden der Innenstadt räumlich unlesbar gemacht.

Text: Claudia Schmidt und Jürgen Stoye (Erstveröffentlichung: Die Heimat, Jahrgang 86, 2015)

24. Januar 2019